Haushaltsrede 2020 der Fraktion der Freien Bürgervereinigung Gernsbach
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen Gemeinderäte, meine sehr verehrten Damen und Herren,
durch die Einführung des Neuen Kommunalen Haushaltsrechts, durch den Ausfall von 2 Millionen Euro bei der Gewerbesteuer, sowie steigenden Aufwendungen für die Kinderbetreuung kommt es im vorgelegten Haushalt 2020 zu einer klaren Zäsur. Nachdem der Ergebnishaushalt für 2019 noch von einem positiven Ergebnis von 897 Tsd. Euro ausgegangen ist, wird für 2020 mit einem negativen Ergebnis von 473 Tsd. Euro gerechnet. Verfolgt man die Entwicklung in der Finanzplanung mit einem steigenden negativen Ergebnis bis 2023, dann wird absehbar, dass die Stadt finanziell in eine Richtung läuft, die nicht gesetzmäßig ist. Das bedeutet, dass der Haushalt auf Dauer nicht mehr durch die Kommunalaufsicht genehmigt wird. Damit wäre eine souveräne Haushaltsführung nicht mehr möglich.
War dies so zu erwarten? Mit Einführung des NKHR müssen nicht nur die Ausgaben erwirtschaftet werden, sondern zusätzlich auch die Abschreibungen auf das vorhandene Vermögen, sowie die Rückstellungen. Damit wird sichergestellt, dass die Kommune nicht von ihrer Substanz zehrt und nachfolgenden Generationen Schulden ohne Gegenwert hinterlässt.
Die Freien Bürger stehen zur intergenerativen Gerechtigkeit. Jede Generation hat den verursachten Ressourcenverbrauch selbst zu tragen. Diesem Aspekt wird entsprochen, wenn der Haushaltsausgleich in jedem Jahr erreicht wird, das heißt, dass der Ressourcenverbrauch durch einen entsprechenden Ressourcenzuwachs gedeckt ist. Das heißt mindestens die schwarze Null im Ergebnishaushalt. Diesem Anspruch werden wir in den nächsten Jahren nicht gerecht.
Es kommt der Quadratur des Kreises gleich, wenn wir einerseits marode Gebäudeinfrastruktur sanieren wollen, neue Raumressourcen für Kinderkrippen und KiTas anbieten wollen, die auch zusätzlichen Personalbedarf benötigen, und dafür mit zusätzlichen Abschreibungsbeträgen unseren Haushalt belasten.
Der Gemeinderat hat die Hoheit über den Haushalt. Wie emotional die Diskussion in der Bürgerschaft geführt wird bei direkter Betroffenheit der Bürger, wie dies beim Thema Schwimmbad Lautenbach oder beim Planschbecken im Igelbachbad war und ist, wird jeder Gemeinderätin, jedem Gemeinderat über Presse und neue Medien fühlbar vor Augen geführt. Es ist nicht leicht, bei einem Bombardement von not-Likern eine Sache rational zu entscheiden. Aber es werden zukünftig zahlreiche Entscheidungen in dieser Kategorie notwendig sein. Das Geld kann nur einmal ausgegeben werden. Investitionen in die eine Sache fehlen dann in einem anderen Bereich.
Die Entwicklungen im Bereich Erziehung und Bildung hat uns überrannt, die bisherige Haltung „Wir fahren auf Sicht!“, ist aktuell nicht mehr zielführend. Daher haben die Freien Bürger im Rahmen der Haushaltsberatungen den Antrag gestellt, die Verwaltung zu beauftragen, eine Prognose der Entwicklung des Bedarfs an Plätzen im Bereich Erziehung und Betreuung zu erarbeiten als Grundlage für die Ermittlung des zukünftigen Raum- und Personalbedarfs.
Der Bedarf an Ganztagesangeboten wird steigen, ebenso der Bedarf an frühkindlicher Betreuung. Außerdem soll 2025 ein Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung in der Grundschule gesetzlich fixiert werden. Wahrscheinlich wieder ohne vernünftige Finanzausstattung der Kommunen durch Bund und Land. Alles Entwicklungen, die die Kommune personell und finanziell stark belasten werden. Hierbei müssen frühzeitig die richtigen Weichen gestellt werden. Hierzu brauchen wir neben dem Schulentwicklungsplan auch für die frühkindliche Erziehung verlässliche Zahlen und Fakten.
Die Bundesregierung rechnet 2020 mit einem Wirtschaftswachstum von 1,1%, der Arbeitsmarkt wird als stabil bezeichnet. Wo dann die Horrormeldungen über Stellenabbau und Ausverkäufen von vermeintlich etablierten Unternehmen herkommen, fragt man sich. Fakt ist, dass sich wie in anderen Kommunen die Gewerbesteuer als eine der Haupteinnahmequellen nach unten bewegt. Der starke Einbruch in Gernsbach um 2 Millionen aktuell, es war bereits in der Presse zu lesen, hängt an strukturellen Themen einzelner Unternehmen. Aber die Befürchtung liegt nahe, dass sich dies kurzfristig nicht ändern wird. Wir müssen uns daher auf diese Verluste auch für die Zukunft einstellen.
Kommen wir zu den Themen im Einzelnen:
Herr Bürgermeister Christ, in ihrer Haushaltsrede haben sie bekräftigt, den Altstadtentwicklungsprozess in diesem Jahr auf den Weg bringen zu wollen. Sie haben hierbei die vollste Unterstützung der Freien Bürger. Uns ist selbstverständlich bewusst, dass wir uns finanziell keine großen Sprünge leisten können, dennoch ist es wichtig, auch für das Aushängeschild unserer Stadt „die Altstadt“ ein Zukunftskonzept zu erarbeiten.
In eine ähnliche Richtung geht die Hotel- und Übernachtungsanalyse in Verbindung mit dem Masterplan Kaltenbronn. Wir erhoffen uns hier eine zukunftsfähige Lösung für das Infozentrum und den Gastronomiebetrieb auf dem Kaltenbronn.
Die logische Konsequenz aus beiden Entwicklungen ist die Notwendigkeit, daraus auch Wertschöpfung für unsere Stadt zu generieren. Die aktuellen Zahlen im Bereich Tourismus in Baden-Württemberg weisen nach oben. Wir haben es bisher versäumt, von dem Kuchen etwas abzubekommen. Daher wiederholen wir unsere Forderung der Erarbeitung eines Tourismuskonzeptes in Verbindung mit den benannten Prozessen.
Das Thema Hochwasserschutz ist Daueraufgabe. Von Katastrophen sind wir in den vergangenen Jahren verschont geblieben. Dennoch sind die jährlichen Hochwasser an der Murg regelmäßig mit Schäden und Kosten für die Stadt und die betroffenen Anwohner verbunden. Die Starkregenereignisse werden bekanntermaßen zunehmen. Es gibt ein abgestimmtes Konzept für den Bereich Wörthgarten, das bei Realisierung positive Auswirkung auf die Bleichstraße, den Katz`schen Garten, den Tunnel und Teile der Nordstadt haben wird. Diese Maßnahme ist mit einer komfortablen Förderung durch das Regierungspräsidium ausgestattet. Es wäre fatal, diese Maßnahme jetzt nicht durchzuführen.
Den größten Umfang nehmen die Investitionen im Bereich Erziehung und Betreuung ein:
Die Baumaßnahme Kindergarten Fliegenpilz soll mit einem Umfang von 4,6 Mio. Euro in diesem Jahr abgeschlossen werden. Mit einer Förderquote von 20% für dieses Projekt wird die Kommune ziemlich alleine gelassen. Gleiches gilt für das Krippenhaus Jahnstraße, wo keine Fachförderung generiert werden konnte. Die Reihe kann man weiterführen. Für die energetische Sanierung der KiTa Rockertstrolche gibt es lediglich 14 Tsd. Euro Förderung, bei einem Volumen von 300 Tsd. Euro.
Wenn ich dann die Äußerung unserer Bundesbildungsministerin höre, dass sich Kinderbetreuung volkswirtschaftlich rechnet, dann frage ich mich, warum dieses Geld dann nicht bei den Kommunen ankommt, die die Hauptlast tragen.
Etwas besser steht die Finanzierung der Realschule da, hier sind 45% Förderung in Aussicht gestellt bei einem Volumen von 4,8 Mio. Euro. Es ist richtig, dieses Projekt bis 2022 zum Abschluss zu bringen.
Gleichfalls sehen wir die Dringlichkeit bei der von-Drais-Gemeinschaftsschule. Durch die Umsetzung des pädagogischen Konzeptes der Gemeinschaftsschule werden neue Raumressourcen benötigt. Außerdem müssen die Fachräume saniert werden. Die vorgeschriebenen Standards hierbei sind jedoch fast nicht mehr zu bezahlen.
In diesem Jahr soll ein umfassendes Schulentwicklungskonzept erarbeitet werden, dass dann auch Grundlage für weitere Planungen sein wird. Hierbei muss der Bedarf an Ganztagesangeboten, die mittelfristige Entwicklung der Schülerzahlen und die pädagogischen Konzepte der Schulen einfließen. Klar ist, dass zusätzliche Angebote auch zusätzlichen Raum- und Personalbedarf benötigen, den die Stadt als Schulträger zur Verfügung stellen muss. Also auch über die bereits in der Finanzplanung abgebildeten Projekte stehen uns noch zahlreiche weitere Investitionen ins Haus.
Auch die Themen Sanierung Rathaus und Baubetriebshof sind auf der Agenda. Eine Realisierung beider Vorhaben ist nur mit einer angemessenen Förderung möglich, auch wenn uns die Dringlichkeit und Notwendigkeit bewusst ist.
Bezüglich der Freibäder gab und gibt es eine klare Position der Freien Bürger. Nachdem die Sanierung der Bäder in Reichental und Obertsrot erfolgt ist, soll nun auch die Sanierung des Bades in Lautenbach erfolgen. Die Bäder sind wichtige Einrichtungen in den Teilorten, die zur Lebensqualität beitragen. Gerade in den benannten Orten wurden in der Vergangenheit Einrichtungen wie Kindergärten und Schulen geschlossen.
Das Investitionsvolumen für 2020 beträgt insgesamt fast 10 Mio. Euro. Man muss sich die Frage stellen, ob es realistisch ist, dass die geplanten Baumaßnahmen allesamt in diesem Haushaltsjahr zur Abrechnung kommen. Wir haben hier berechtigte Zweifel.
Was ist der richtige Weg in die Zukunft?
Während der Landkreis Rastatt in 2020 einen Überschuss von 5,5 Mio. Euro erwirtschaften wird, kann kaum eine Kommune im Landkreis in diesem Jahr ihren Haushalt ausgleichen. Wir sind also in guter Gesellschaft.
Neben einem strikten Sparkurs, wird es auch notwendig sein, Steuern, Entgelte und Gebühren zu erhöhen. Wenn wir unsere Infrastruktur erhalten und die Herausforderungen der Zukunft meistern wollen, führt daran kein Weg vorbei.
Bürgermeister und Verwaltung haben angekündigt, in den kommenden Monaten Einsparvorschläge und Einnahmeverbesserungen vorzuschlagen. Hierbei wird es dann zum Schwur kommen, ob der Gemeinderat den Willen hat, die Haushaltssituation nachhaltig zu verbessern oder ob die geäußerten Aussagen nur Lippenbekenntnisse sind.
Die geplanten Investitionen werden wir alle realisieren müssen, die Frage ist wann. Hier ist aus unserer Sicht das Thema Förderung ein entscheidendes Argument. Projekte mit geringer Förderung sollen eher verschoben werden als andere.
Neben allem Sparwillen ist es dennoch notwendig, die Funktionsfähigkeit der Infrastruktur zu erhalten. Wir sind gezwungen zahlreiche notwendige Sanierungen zu verschieben. Daher ist es unumgänglich, dass die laufende Instandhaltung effektiv durchgeführt wird, um die Akzeptanz der Bürger zu erhalten. Es kann nicht sein, dass bauliche Defizite, die mit einigen Tsd. Euro beseitigt werden können, nicht erledigt werden, weil eine Generalsanierung im Raum steht, die über viele Jahre geschoben werden muss.
Daher haben wir auch nochmals beantragt, nachdem dies bereits 2017 beschlossen war, die Heizungs- und Lüftungsanlage der Staufenberghalle zu sanieren.
Die größten Einsparpotentiale liegen logischerweise auch bei den größten Positionen. Bei jedem Projekt ist zu überlegen, ob es günstigere Alternativen gibt. Funktions- und Flächenprogramm bei Baumaßnahmen sind am Bedarf zu orientieren, die laufenden Kosten sind in die Investitionsentscheidung einzubeziehen.
Wo wir Potentiale sehen, ist im Bereich des Gebäudemanagements. Bislang wurde die vorbeugende Instandhaltung sehr zurückhaltend durchgeführt, was zu einem Instandhaltungsstau führte, der nur durch hohen Ressourcenaufwand beseitigt werden kann. Nicht allein die Frage, ob und wie eine Baumaßnahme finanzierbar ist, ist entscheidend, sondern vielmehr, ob die zwangsläufig folgenden Instandhaltungs- und Bewirtschaftungsmittel, sowie die Abschreibungen aufgebracht werden können.
Im Bereich Personal sehen wir außerhalb des Bereiches Erziehung und Betreuung keinen Spielraum für zusätzliche Stellen. Auch wenn es uns schwergefallen ist, wollten wir auf die Stelle Sachbearbeitung Wirtschaftsförderung verzichten und haben einen entsprechenden Antrag gestellt.
Wir stehen im Wettbewerb mit anderen Kommunen. Wir müssen weiterhin daran arbeiten, Gernsbach als lebenswerte und familienfreundliche Stadt auszubauen. Daher stehen auch die für dieses Ziel notwendigen Personalstellen im Bereich Bildung und Erziehung immer in der ersten Priorität.
Ohne Kreditaufnahme werden wir es jedoch nicht schaffen, unsere Infrastruktur insbesondere im Bereich Bildung und Erziehung auf den notwendigen Standard zu bringen. Jede andere Aussage verkennt die Fakten
Wirtschaftsplan Stadtwerke und Abwasserbeseitigung:
Die Freien Bürger sind nach wie vor überzeugt, dass die Ausgliederung der Stadtwerke und des Eigenbetriebs Abwasserbeseitigung aus dem Kernhaushalt der Stadt die richtige Entscheidung war. Wer sich noch an unsere Klausur erinnert, dem ist klar, dass organisatorische und strukturelle Maßnahmen in diesem Bereich längst überfällig waren. Ziel ist eine Zusammenführung der Bereiche Wasser, Abwasser, Bäder und Breitband.
Durch Verlagerung des Betriebssitzes in das neu erworbene Gebäude in der Hillau, durch eine neu geschaffene Betriebsleiterstelle, durch eine höhere Umlage an den Wasserversorgungsverband erhöhen sich die Kosten. Außerdem sind Investitionen von 1,1 Mio € veranschlagt. Daher müssen die Wassergebühren neu kalkuliert werden.
Im Eigenbetrieb Abwasserbeseitigung sind ebenfalls große Räder zu drehen. Neben den sonstigen Maßnahmen sind die drei Regenüberlaufbecken Lautenbach, Obertsrot und Reichental bis 2022 zu erledigen. Damit ergibt sich bis 2023 ein Investitionsvolumen von fast 10 Mio €, die mit Krediten finanziert werden. Es ist uns bewusst, dass sich auch diese Investitionen auf die Gebühren niederschlagen werden. Dennoch sollten wir diese Aufgaben jetzt endlich erledigen und nicht wie in der Vergangenheit vor uns herschieben. Die Erfahrung lehrt, dass die Baumaßnahmen aufgrund steigender Standards mit der Zeit immer teurer werden.
Zum Schluss darf ich mich im Namen der Freien Bürger beim Kämmerer Herrn Lang und seinen Mitarbeitern für die Aufstellung des Haushaltes und die erbrachte Mehrarbeit durch die Einführung des NKHR bedanken. Wir denken, für die Einschätzung der Situation durch den Gemeinderat war es notwendig seitens des Kämmerers die Haushaltslage unbeschönigt darzustellen. Es muss dem Gemeinderat klar werden, dass diese Entwicklung so nicht weiterlaufen kann, wenn wir weiterhin Herr unserer Finanzen sein wollen.
Meine Fraktion hat sehr viel Vertrauen in ihre Arbeit.
Die Freien Bürger werden dem vorgelegten Haushaltsentwurf mit den bereits beschlossenen Änderungen zustimmen.
Vielen Dank.
Uwe Meyer