Haushaltsrede der Freien Bürger Vereinigung Gernsbach
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren der Stadtverwaltung,
sehr geehrte Damen und Herren Kollegen des Gemeinderates,
liebe Bürgerinnen und Bürger,
das Haushaltsrecht ist das Königsrecht eines Parlamentes und die Debatte um den Haushalt in guter Tradition nicht nur eine Debatte über die Zahlen des Haushalts, sondern der Zeitpunkt, um grundlegende Kritik an den Regierenden und ihren Entscheidungen zu üben.
Existentielle Herausforderungen für unser Land und unsere Kommune
Existenzielle Herausforderungen gibt es derzeit genug und auch hinreichend Grund zu scharfer Kritik – allerdings sitzen die, gegen die sich die Kritik richten müsste, nicht hier im Ratssaal der Stadt Gernsbach, sondern in Berlin, wenngleich deren desaströsen Entscheidungen auch in unserer Stadt ihre Wirkung zeigen.
- Allem voran muss die Kritik einer völlig verfehlten, investitions- und unternehmensfeindlichen Wirtschaftspolitik gelten, die Arbeitsplätze kostet, und der Stadt Gernsbach Mindereinnahmen im Bereich der Gewerbesteuer in Millionenhöhe beschert.
- Hinzu kommt eine Inflation, die durch zusätzliche Steuern und Abgaben – beispielsweise die erhöhte LKW-Maut und die CO² -Abgabe – stark befeuert wird und zu einer Verarmung der Mittelschicht führt, die unser Gemeinwesen trägt.
- Man könnte auch die unkontrollierte Zuwanderung kritisieren, deren Auswirkungen die Regierung in Berlin den Kommunen aufbürdet, ohne ihnen ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Allein für die Unterbringung der Migranten wird die Stadt Gernsbach in den kommenden zwei Jahren 6,7 Mio. Euro ausgeben müssen. Die Folgekosten der Betreuung und Integration sind hier noch nicht eingerechnet.
- Dann wäre der besorgniserregende demographische Wandel zu nennen, dem entgegenzuwirken die Politik vieles unternehmen müsste. Wenn in diesem Zusammenhang Entscheidungen getroffen werden, wie zum Beispiel die Schaffung eines Anspruchs auf Ganztagesbetreuung, damit Familie und Beruf besser vereinbar sind, dann werden auch hier die Auswirkungen dieser Entscheidungen bei den Kommunen abgeladen. Wir werden – so die Haushaltsprognose – rund 4,5 Mio Euro in die Hand nehmen müssen für Erwerb und Umbau des ehemaligen HLA-Gebäudes zur Schule.
- Weitere Themen wären steigende Energiepreise und ideologiegetriebene Prestigeprojekte, die Geld kosten und Eigeninitiative hemmen oder sogar Hand an die Wurzel einer demokratischen Zivilgesellschaft legen.
Unsere Sorge gilt unserer Stadt
Die Stadt Gernsbach, und damit meine ich nicht nur die Stadtverwaltung, sondern ihre Bürger, sind die Leidtragenden dieser Politik, nicht aber die Entscheidungsträger, die sie zu verantworten haben.
- Wir sehen mit großer Sorge, dass der Kanon an Pflichtaufgaben nicht nur größer geworden ist, sondern dass die Regelungstiefe derart zugenommen hat, dass wir ein deutliches Mehr an finanziellen Mitteln benötigten, um alle Aufgaben zufriedenstellend zu lösen.
- Wir sehen mit großer Sorge, dass der Spielraum zur Gestaltung für uns deshalb immer geringer wird und die grundgesetzlich garantierte kommunale Selbstverwaltung zu einem hohlen Versprechen verkommt.
- Wir sehen mit großer Sorge, dass das neue Haushaltsrecht – weg von der Kameralistik zur Doppik – die Situation nicht verbessert, im Gegenteil: Schließlich stehen den Ausgaben nun Vermögenswerte gegenüber, die eine ausgeglichene Bilanz suggerieren. Allein: Der Schein trügt. Wenn ein Unternehmer eine Million Schulden macht, um damit eine Produktionshalle zu bauen, dann steht in der Tat den Schulden ein Vermögenswert gegenüber. Wenn die Stadt für eine Million ein Stück Straße saniert, dann kann man das zwar ebenfalls gegenüberstellen, aber es ist ein Taschenspielertrick. Der Unternehmer erwirtschaftet mit der Produktionshalle nämlich das Geld, um seine Schulden abzuzahlen. Für die Stadt ist die Straße lediglich Konsum. Sie generiert Folgekosten, keine Einnahmen. Hüten wir uns also davor, das neue Haushaltsrecht zu nutzen, um uns die Situation schönzurechnen. Die ist – mit einem Wort – bescheiden.
Der Doppelhaushalt 2024 / 2025 – Reaktion auf die verschlechterten Rahmenbedingungen
Soweit wir als Stadt betroffen sind, haben wir die Suppe auszulöffeln, die uns in Berlin eingebrockt wird. Sehen wir uns also an, wie die Stadt Gernsbach ausweislich des vorgelegten Haushaltsentwurfes vorhat, die weiteren Bissen dieser in weiten Teilen unverdaulichen Brühe zu schlucken.
- Für beide Haushaltsjahre wird ein negatives Ergebnis ausgewiesen.
- Wenn wir alles umsetzen, was im Haushalt vorgesehen ist, werden wir 2024 8 Mio und 2025 13,5 Mio € Kreditaufnahmen haben.
- Unsere Rücklagen, die wir in den letzten Jahren erarbeitet haben, schmelzen weg.
- Die Gewerbesteuereinnahmen sinken.
Das ist eine schwere Bürde, die wir zu schultern haben. Wenden wir uns also den konkreten Themen für die Stadt Gernsbach zu.
- Man kann nur froh sein, dass die Stadt wesentliche Hochwasserschutzmaßnahmen umgesetzt hat – erst vor kurzem konnten wir die Wiedereröffnung des Katz’schen Gartens genießen – und für weitere Maßnahmen in den kommenden zwei Jahren rund 2,9 Mio Euro einstellt. Das sind teure, aber notwendige Maßnahmen zum Schutz der Bürger. Wie wichtig vorbeugender Hochwasserschutz ist, sehen wir im Ahrtal, wo Betroffene noch heute auf staatliche Hilfe aus Berlin warten.
- Allein für die Unterbringung der uns zugewiesenen Migranten wird die Stadt in den kommenden zwei Jahren rund sieben Millionen aufwenden müssen – ich habe es bereits erwähnt. Mit dem von uns eingeschlagenen Gernsbacher Weg gehen wir nach meiner Überzeugung aber in die einzig richtige Richtung, nämlich durch dezentrale Unterbringung, Integration in allen Ortsteilen, die Ghettoisierung zu verhindern und die Belastungen gerecht zu verteilen. Dass wir dabei daran denken, den so geschaffenen Wohnraum später einmal auch anders, nämlich als sozial begünstigten Wohnraum für Einheimische verwenden zu können, zeugt von der Weitsicht des von der Verwaltung eingeschlagenen Weges.
- Ein großer Posten im Haushalt sind Schulen und Kindergärten. Dabei machen in diesen Bereichen nicht nur die Personalkosten einen Löwenanteil an den Gesamtkosten für städtisches Personal aus, sondern auch bei den Unterhaltungskosten für Immobilien ist der Schul- und Betreuungsbereich ein wesentlicher Faktor. Diese Ausgaben sind aber notwendige Investitionen in die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt. Wir stehen angesichts des demographischen Wandels in einem Wettbewerb um die Köpfe. Um als Lebensmittelpunkt für Leistungsträger unserer Gesellschaft attraktiv zu sein, brauchen wir ein breit gefächertes Angebot an Betreuungs- und Bildungseinrichtungen.
- Wo die Stadt investiert und dadurch private Projekte unterstützt, zum Beispiel beim Reiner-Sontheimer-Steg, bei der Brückenmühle oder bei Zuschüssen im Zusammenhang mit der Aufwertung der Altstadt, gelingt es, einen beeindruckenden Hebel zu aktivieren: Den Zuschüssen von staatlicher Seite stehen jeweils private Investitionen in Höhe eines Vielfachen gegenüber. Anders als bei den viel zitierten Zuschüssen aus Bundes- und Landeskassen handelt es sich dabei nicht um Steuergelder, die der Staat vorher seinen Bürgern abgenommen hat.
Angesichts der Ausgangslage kommt man nicht umhin, der Stadt und hier allen voran dem Kämmerer Lob zu zollen:
- Der Doppelhaushalt 2024 / 2025 ist seriös und sparsam gerechnet – wodurch die finanzielle Situation der Kommune freilich schmerzlich zu Tage tritt.
- Ausgaben sind auf das absolut Notwendige reduziert. Wo investiert wird, wird sich dies zumindest in Zukunft positiv auf das Haushaltsergebnis auswirken.
- Es ist der Stadt, wo immer es möglich war, gelungen, Fördertöpfe zu öffnen, um Investitionen durch Drittmittel zu unterstützen.
Wir tragen deshalb den Doppelhaushalt mit und werden dafür stimmen.
Ausblick
Es wäre zu kurz gesprungen, es dabei bewenden zu lassen. Wir werden uns dem Haushaltsthema nach der Kommunalwahl erneut zuwenden müssen. Wir werden intensive Diskussionen führen müssen, denn vor den nächsten Bundestagswahlen ist eine Besserung der Großwetterlage auf Bundesebene nicht zu erwarten.
Diese Diskussion ist aber nicht allein am Haushalt festzumachen. Es geht um die Frage, welche Aufgaben wir als Gemeinde zu erfüllen haben, und in welcher Regelungstiefe die Aufgaben zu erledigen sind, derer wir uns nicht entledigen können.
Ich denke, es ist richtig, die passende Struktur für eine solche sinnvolle und notwendige Diskussion in die Hand des in wenigen Monaten neu zu wählenden Gemeinderates zu legen. Wir bieten allen Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat und allen voran natürlich der Verwaltung an, an diesem Prozess, konstruktiv, ohne Scheuklappen und ergebnisoffen mitzuwirken.
Vielen Dank.