Haushaltsrede 2023
der Fraktion der Freien Bürgervereinigung Gernsbach
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen Gemeinderäte, meine sehr verehrten Damen und Herren,
in meiner Funktion als Fraktionssprecher der Freien Bürgervereinigung Gernsbach trage ich heute die 20ste Haushaltsrede vor, die mit Unterstützung der Fraktion aus meiner Feder stammt. Nie ist es mir so schwergefallen, die Balance zu finden zwischen der Leistungsfähigkeit des Haushaltes und den vor allem durch äußere Ereignisse bewirkten immensen Investitionsbedarfen.
Die Folgen der Corona-Krise sind immer noch spürbar, das Ende ist noch nicht abzusehen, auch wenn die Einschränkungen sukzessive durch die Bundes- und Landespolitik zurückgefahren werden. Durch den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine im Februar 2022 erleben wir eine Situation, die man nicht erwarten konnte: Dass unser Land durch einen Krieg in Europa schwer in Mitleidenschaft gezogen wird.
Neben dem menschlichen Leid der Bevölkerung in der Ukraine und dem Verlust der internationalen politischen Stabilität hat der Krieg auch wirtschaftliche Folgen. Durch die unsägliche einseitige Abhängigkeit von russischem Gas wird die sicher geglaubte deutsche Energieversorgung in Frage gestellt. Die Versäumnisse der Vergangenheit, in der es nicht gelungen ist, erneuerbare Energien zu etablieren, Speichermöglichkeiten zu entwickeln und auf fossile Energieträger zu verzichten, treten jetzt offen zu Tage. Die deutsche Politik steht sich wie so oft selbst im Weg. Die hohen Energiekosten gefährden vor allem den Mittelstand, der in Deutschland produziert, Arbeitsplätze zur Verfügung stellt und Steuern bezahlt. Hierzu gibt es auch in unserer Stadt einige Beispiele.
Neben anderen haben auch Dienstleister in Gastronomie und Handel Probleme, geeignete Arbeitskräfte zu rekrutieren. Die Schließung der Bäckerei Häfele und der Metzgerei Geiser sind Beispiele dafür. Wenn die Generation der Baby-Boomer in naher Zukunft in den Ruhestand geht, wird sich dieses Problem noch verstärken.
Zudem werden unsere Sozialsysteme durch den demographischen Wandel, durch die Flüchtlingssituation über die Grenze der Leistungsfähigkeit gebracht. Immer weniger, die in die Systeme einzahlen und immer mehr, die Leistungen erhalten.
Weitere Probleme ergeben sich aus dem menschgemachten Klimawandel. Wer im vergangenen Jahr mit offenen Augen durch die Landschaft gegangen ist, war und ist erschüttert über die Auswirkungen der Klimaveränderung. Einstmals grüne Wiesen waren durch die anhaltende Trockenheit braun geworden. Dürre Tannen, Käferfichten und Kronenschäden an unseren Buchen gehören mittlerweile zum gewohnten Bild. Der Wald leidet. Aktuell sind wir noch in der glücklichen Lage, dass es auf unserer Gemarkung noch kein existenzielles Problem bedeutet wie es in anderen Regionen Deutschlands bereits der Fall ist.
Durch die Klimaveränderung steigt auch die Gefahr von Extremwetterereignissen. Daher sind wir gezwungen, als Kommune auch hier unsere Hausaufgaben zu machen und den Hochwasserschutz voranzutreiben.
Diese Entwicklungen haben alle einen direkten Einfluss auf unsere Finanzen. Durch Inflation und hohe Energiepreise steigt der Aufwand für die kommunale Leistungserbringung. Die Unterhaltung unserer städtischen Infrastruktur ist nahezu nicht mehr bezahlbar. Durch den Anstieg der Zinsen ist die Finanzierung notwendiger Investitionen fast nicht mehr zu schultern.
Die Verschuldung des Staates steigt in unvorstellbare Höhen. Man fragt sich, wo das Geld aus den wirtschaftlich florierenden Jahren der nahen Vergangenheit geblieben ist. Deutschland ist im Bereich Digitalisierung, Bildung, Energieversorgung und Militär in einem desolaten Zustand. Aufgrund einer ständig steigenden Bürokratie, einer immer größer werdenden Summe der staatlichen Leistungsversprechen und Standards, die in ihrer Breite und Tiefe nicht mehr einzuhalten sind, sind wir nicht mehr in der Lage, unsere Zukunft zu gestalten. Wenn wir hören, dass das Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen 7 Jahre dauert, wenn wir als Kommune für den Bau eines Mehrfamilienhauses eine europaweite Ausschreibung benötigen, wenn wir es nicht schaffen. in Deutschland eine Stromleitung von Norden nach Süden zu führen, wenn der Bau des Berliner Flughafens 14 Jahre dauert, dann braucht man sich nicht mehr zu wundern, warum unser Land in vielen Bereichen hinterherhinkt.
Die Vielzahl der staatlichen Aufgaben mit dem deutschen Hang zur Überregulierung, sowie die gesellschaftliche Erwartung an die kommunale Leistungsgewährung haben die Kommunen in eine Überforderung geführt. Wir können die Anforderungen weder finanziell noch personell im erwarteten Maß erfüllen. Außerdem gibt es keinen Spielraum mehr für Zukunftsthemen.
Ich möchte nicht alles schwarzmalen. Wir können alle froh sein, in unserem Land zu leben. Aber wir müssen aufpassen, dass unsere freiheitliche, rechtssichere und soziale Gesellschaftsordnung nicht durch den Verlust von Wohlstand und Sicherheit gefährdet wird.
In diesem schwierigen Umfeld bewegen sich unsere kommunalpolitischen Entscheidungen. Und es ist eine Gratwanderung zwischen drohender Überschuldung und dem Ziel, die vorgegebenen Pflichtaufgaben zu erfüllen. Gerade die Pflichtaufgaben, die uns durch die Kriegsrealität aufgebürdet sind, benötigen einen großen Aufwand in unserem Haushalt. Trotz Zuweisungen von Bund und Land bleibt ein großer Anteil an den Kommunen hängen. Dennoch haben die Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten und Hab und Gut verloren haben, das Recht auf unsere Unterstützung. Die bisherige Strategie der dezentralen Unterbringung reicht nicht mehr aus. Die Flüchtlingszahlen, die der Stadt zugeteilt werden, fordern weitergehende Entscheidungen.
Für 2023 steht eine Zuweisung von 180 Flüchtlingen im Raum. Dies soll durch die Umnutzung des Postgebäudes, und den Ankauf eines weiteren Gebäudes abgedeckt werden. Der Flüchtlingsstrom wird absehbar nicht zurückgehen, so dass weitere Maßnahmen für die Zukunft angedacht sind. Hierbei steht das Markthallengelände in Staufenberg für den Bau einer Flüchtlingsunterkunft zur Verfügung. Auch wenn dies in Teilen der Fraktion kritisch betrachtet wird, werden wir das Projekt vorantreiben müssen, um für die Zukunft vorbereitet zu sein. Wir erwarten uns allerdings ein Gebäude, das sich in die dörfliche Struktur des Teilorts einfügt und kostenbewusst realisiert wird.
Zahlreiche Investition wurden bereits beschlossen, sind begonnen und werden 2023 abgerechnet:
- Der Hochwasserschutz an der Murg zwischen Höschbrücke und Katz´schem Garten mit 2 Mio. Euro, sowie die Erhöhung der Triebwerkskanalmauer für 815 Tsd. Euro. Auch hier gibt es den Grundsatzbeschluss, die Maßnahmen in der Schlossstraße fortzuführen. 2023 soll die Planung erfolgen.
- Die Sanierung der Deponie Läutersbach mit 2 Mio. Euro
- Die Beschaffung eines LF20 für die Feuerwehr wurde bereits überplanmäßig im vergangenen Jahr beschlossen. Auch hier stehen wir in der Pflicht, für die Kameradinnen und Kameraden der FFW eine angemessene Ausstattung zu garantieren. Der Brand in der Weinbergstraße hat die Schlagkraft unsere Feuerwehr unter Beweis gestellt. Für ihren Einsatz unseren herzlichen Dank.
Einen großen Anteil an den Investitionen nimmt der Bereich Bildung und Erziehung ein. Hier geht es einerseits um die Ertüchtigung der Schulen und Kindergärten für den Ganztagesbetrieb, aber auch um die Sanierung der in die Jahre gekommene Bausubstanz.
- Die Sanierung der Realschule kommt dieses Jahr zum Abschluss mit einem Gesamtvolumen von 6,4 Mio. Euro. Wenn wir dem Invest die Förderung von 2,4 Mio. Euro gegenüberstellen, dann verbleiben 4 Mio. beim Schulträger Stadt Gernsbach. Dies ist der Trend bei allen Projekten im schulischen Bereich. Das Land setzt den Standard, die Kommune zahlt die Zeche. Mit Abschluss der Maßnahme erwarten wir uns seitens der Schulleitung, dass die Räumlichkeiten durch die Umsetzung eines pädagogischen Konzepts im Rahmen eines Ganztagsbetriebes auch mit Leben gefüllt werden. Bisher entspricht die Nutzung noch nicht unseren Vorstellungen.
- Ein weiterer großer Posten bei unseren Investitionen ist die Grundschule Gernsbach. Wir haben als Stadt die gesetzliche Verpflichtung, bis 2026 die Ganztagsbetreuung in den Grundschulen zu gewährleisten. Dies ist am jetzigen Standort aufgrund der Raumsituation nicht möglich. Im Raum steht ein Ankauf des Gebäudes der HLA. Der in Rede stehende Betrag für Ankauf und Umbau ist aus unserer Sicht nicht finanzierbar.
In der Gesamtbetrachtung aus Sicht der Fraktion der Freien Bürger sind die Prioritäten bei den Investitionen richtig gesetzt. Wir werden die aufgezeigten Aufgaben angehen müssen. Hierbei sind die notwendigen Investitionen in unsere sanierungsbedürftige Infrastruktur noch gar nicht enthalten. Wir tragen die Ansätze im Haushaltsplan so mit, sehen jedoch die Notwendigkeit, die Maßnahmen zu strecken und an die finanzielle und personelle Leistungsfähigkeit unserer Stadt anzupassen.
Wir erwarten außerdem, und hier ist unser Antrag zum Bau der Flüchtlingsunterkunft auf dem Markthallengelände beispielgebend, dass alle Investitionen erst nach intensiver Diskussion im Rahmen der Entwurfsplanung und Kostenschätzung auf den Weg gebracht werden. Die Vergabe der Planungsleistungen soll zunächst nur bis zu den Leistungsphasen I bis III erfolgen.
Eine geplante Verschuldung bis Ende 2026 von 30 Mio. Euro kann nicht unser aller Ziel sein. Der Kämmerer Herr Lang hat im Vorbericht zum Haushalt zum Ausdruck gebracht, dass die Stadt bis 2026 auf die Überschuldung zusteuert. Die kurzfristigen Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung seien umgesetzt. Ebenso sei der Handlungsspielraum für Einnahmenerhöhungen und Ausgabenkürzungen ausgeschöpft.
Die Freien Bürger kommen in ihrer Bewertung zum gleichen Ergebnis. Daher haben wir uns unter anderem mit dem Thema Personalbemessung auseinandergesetzt. Der Stellenplan 2023 sieht eine Stellenmehrung von 8,2 Stellen vor. Neben dem sich aus der aktuellen Personalbedarfsbemessung ergebenden Stellenmehrung von 4.9 Stellen handelt es sich um Stellen im Bereich der Pflichtaufgaben. Die Freien Bürger haben im Rahmen der Haushaltsberatungen den Antrag gestellt, die Stelle des Energie- und Mobilitätsmanagers zu streichen, da wir außerhalb der Pflichtaufgaben keinen Spielraum für neuen Personalstellen sehen. Gleiches gilt für die halbe Stelle Jugendbeteiligung. Unbestritten sind beide Bereiche wichtige Aufgaben, aber leider nicht finanzierbar.
Wir haben uns die Mühe gemacht, unsere Personalausstattung mit ähnlichen Gemeinden zu vergleichen. Im Vergleich liegen wir im oberen Bereich. Auch haben wir in der nahen Vergangenheit einige neue Stellen geschaffen und Aufgaben ausgegliedert, so dass von einem Stellenmangel keine Rede mehr sein kann. Und uns muss bewusst sein, dass wenn wir die Anforderungen aus der Flüchtlingsunterbringung und der Weiterentwicklung der Kinderbetreuung erfüllen wollen, wir hier weiteres Personal benötigen.
Als Gemeinderat haben wir im vergangenen Jahr beschlossen, unsere Altstadt in eine Fußgängerzone umzuwandeln. Die Freien Bürger stehen weiterhin zu diesem Grundsatzbeschluss, sehen jedoch die Notwendigkeit, in gewissen Bereichen nachzusteuern. Die Akzeptanz der Neuerung ist bei Bewohnern und Gewerbetreibenden aktuell eher negativ belegt. Wir haben es versäumt, im Prozess die Betroffenen mitzunehmen und sie zu Beteiligten zu machen. Hier sehen wir dringenden Handlungsbedarf. Wir haben daher den Antrag gestellt, die Verkehrsführung in der Altstadt in einem öffentlichen Prozess mit externer Moderation zu evaluieren. Natürlich stehen wir erst am Anfang von zahlreichen weiteren Maßnahmen. Aber wir sollten die Chance nutzen, den Einstieg positiv zu gestalten. Bauliche Maßnahmen allein sind hier zu kurz gesprungen.
Ich bin froh, dass wir im Gemeinderat wieder eine Basis für eine konstruktive Zusammenarbeit gefunden haben und appelliere an die Kolleginnen und Kollegen weiter daran zu arbeiten nicht für die politische Gruppierung, nicht für die Partei, sondern nur für unsere Stadt das Beste zu geben. Die Zeiten waren nie einfach und sie werden nicht einfacher. Aber wir werden auch das meistern, wenn wir im Vertrauen auf die Stärken unserer Gemeinschaft, orientiert an unseren finanziellen Möglichkeiten die Zukunft unserer Stadt gestalten.
Zum Schluss darf ich mich im Namen der Freien Bürger beim Kämmerer Herrn Lang und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Aufstellung des Haushaltes bedanken.
Die Freien Bürger werden dem vorgelegten Haushaltsentwurf mit dem Wirtschaftsplan der Stadtwerke und des Eigenbetriebs Abwasserbeseitigung zustimmen.
Für die Fraktion der Freien Bürger Uwe Meyer