Haushaltsrede 2022

Haushaltsrede 2022 der Fraktion der Freien Bürgervereinigung Gernsbach

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen Gemeinderäte, meine sehr verehrten Damen und Herren,

 

Wir beschließen heute einen Haushalt, der keine Überraschungen in sich birgt. Der Gemeinderat hat in den vergangenen Jahren durch Beschlüsse, die zum großen Teil mit großer Mehrheit gefasst wurden, den Fahrplan für die nächsten Jahre festgelegt. Das für dieses Jahr geplante Investitionsvolumen von 11,2 Mio Euro bringt uns finanziell, aber auch personell an die Grenze des Machbaren. Spielräume für andere Projekte sind nicht vorhanden.

Die Freien Bürger sind überzeugt, dass es wichtig ist, die großen Räder zu drehen, die für die Entwicklung und Zukunftsfähigkeit unserer Stadt entscheidend sind. Hier gilt es mit ganzer Kraft daran zu arbeiten.

Wo liegen die Prioritäten aus Sicht der Freien Bürger?

 

Weiterhin wird der Bereich Bildung und Erziehung in unserer Stadt einen hohen Stellenwert haben. Die Umsetzung des Digitalpaktes soll in diesem Jahr zum Abschluss kommen. Die zugesagten Landesmittel werden hier voll ausgeschöpft. Die neu geschaffene Stelle im IT-Bereich, die ebenfalls durch Fördermittel unterstützt wird, trägt hier dazu bei, dass die geplanten Maßnahmen auch umgesetzt werden können und in den Schulen ankommen.

Der größte Posten in diesem Bereich ist die Sanierung der Realschule mit 6,4 Mio Euro. Längst überfällig, kommen wir hier in diesem Jahr einen großen Schritt voran. Bis 2025 müssen die Kommunen ein Ganztagsangebot für die Schülerinnen und Schüler unserer Grundschulen bereithalten. In diesem Zusammenhang sehen wir auch die Suche nach einer Lösung für die von-Drais-Grundschule. Dass hier Sanierungsbedarf vorhanden ist, liegt auf der Hand. Die Situation ist weder für Lehrkräfte noch für die Schülerinnen und Schüler zumutbar. Außerdem fehlen die räumlichen Möglichkeiten für den Ganztagesbetrieb. Hier soll 2022 der Beschluss über die Standortfrage gefasst werden. Hierbei sehen wir den aktuellen Standort als mögliche Alternative.

Auch in den Ortsteilen werden Maßnahmen vollzogen: Der Kindergarten Rockertstrolche wird mit 300 Tsd. Euro energetisch saniert, für die Planung der Erweiterung des Kindergartens in Scheuern sind 200 Tsd. Euro vorgesehen. Für die Nutzung des Feuerwehrhauses in Hilpertsau als Raum für den Ganztagesbetrieb der Grundschule sind Mittel eingestellt. Dringend muss hier gemeinsam mit der Feuerwehr das zukünftige Nutzungskonzept besprochen werden.

Das sind nur die wichtigsten Maßnahmen im Bereich Bildung und Erziehung. In diesem Zusammenhang von einer Kürzung der Schulbudgets zu reden und fast schon den Bildungsnotstand auszurufen, konterkariert die Anstrengungen, die in diesem Bereich in der Vergangenheit geleistet wurden und in Zukunft noch geleistet werden.

Bildung ist eine Investition in die Zukunft, für unsere Gesellschaft, für unsere Stadt.

Wie wichtig das Thema Hochwasserschutz ist, hat und die Flutkatastrophe im Ahrtal eindrucksvoll vor Augen geführt. Wir haben jetzt die Chance, im Zusammenhang mit der Entwicklung im Wörthgarten hier Maßnahmen umzusetzen, die den Hochwasserschutz in der Kernstadt entscheidend verbessern. Es war ein Kraftakt für die Verwaltung hier mit Landkreis und Regierungspräsidium eine gemeinsame Lösung zu finden. Diese soll bis Ende 2023 mit einem Umfang von 6,4 Mio Euro umgesetzt werden. 

Ein weiteres wichtiges Projekt für unsere Stadt ist die Entwicklung unserer einzigartigen Altstadt.

Seit mehr als 20 Jahren diskutieren wir über dieses Thema, ohne dass uns eine maßgebliche Verbesserung gelungen ist.

Es geht hierbei um drei wichtige Ziele:

-Erhalt der wertvollen, historischen Bausubstanz

-Verbesserung der Wohnqualität

-Verbesserung der Situation für Handel, Gastronomie und Gewerbe

Wir denken, die Zeit ist reif für Entscheidungen, die weit in die Zukunft reichen und als Rahmen für weitere Handlungen dienen.

Daher befürworten die Freien Bürger eine weitgehende Verkehrsberuhigung der Altstadt in Form einer Fußgängerzone. Auch für den Mühlgrabenweg brauchen wir eine neue verkehrliche Weichenstellung. Die Entwicklung der Brückenmühle geht voran, und bereits diese Entwicklung wird uns zwingen, die Einspurigkeit des Mühlgrabens voranzutreiben. Hierdurch gibt es sowohl für den Fußgängerverkehr auch in Verbindung mit der neuen Brücke zum Wörthgarten, als auch für den Radverkehr neue Perspektiven. Wir sehen hier tolle Chancen für eine attraktive Entwicklung.

Das Parkhaus auf dem Färberthorplatz ist in einem zweiten Schritt wesentlich für die weitere Entwicklung der Altstadt. Die Freien Bürger haben dies bereits vor mehr als 10 Jahren thematisiert.

Ein weiteres Handlungsfeld für die Zukunftsfähigkeit einer Kommune ist das Thema Digitalisierung. Es wird immer wieder kolportiert, dass der Markt hier versagt hat. Aber nicht der Markt hat versagt, sondern die Bundes- und Landespolitik, die zwar für die vergebenen Lizenzen kassiert, aber versäumt hat, die Rahmenbedingungen festzulegen, damit jeder Bürgerin, jedem Bürger ein Zugang zu schnellem Internet ermöglicht wird. Es gilt hier, wie so oft, dass Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden.

Die Stadtwerke haben den Auftrag, das Thema schnelles Internet voranzutreiben. Aktuell läuft das Markterkundungsverfahren, das Voraussetzung für eine Förderung ist. Ohne diese Zuschüsse sind weitere Schritte nicht finanzierbar. Wir erwarten, dass der Ausbau des Glasfasernetzes als vorrangige Aufgabe der Stadtwerke betrachtet und eine schnelle Umsetzung angestrebt wird.

 

In welchem finanziellen Rahmen bewegen wir uns?

Trotz durchgeführter Konsolidierungsmaßnahmen in den vorangegangenen Jahren war in 2021 mit einem prognostizierten Ergebnis von -166Tsd. Euro und in 2022 mit einem geplanten Haushaltsergebnis von -740 Tsd. Euro ein Haushaltsausgleich nicht möglich. Auch der Trend bis 2025 mit einem Ergebnis von -2,5 Mio Euro zeigt in die negative Richtung. Einen großen Anteil an dieser Entwicklung haben die um ca. 1,4 Mio. Euro erhöhten Abschreibungen für unsere geplanten Investitionen. Eigentlich paradox, wir investieren in unsere Bausubstanz und werden dafür durch höhere Abschreibungen bestraft.

Ein ähnlicher Trend zeigt sich bei der Verschuldung des Kernhaushalts. Durch eine sparsame Haushaltsführung in der Vergangenheit, konnte die Verschuldung des Kernhaushalts auf 2,1 Mio Euro reduziert werden. Die mittelfristige Planung bis 2025 sieht einen Anstieg der Verschuldung auf über 18 Mio. Euro vor.

Eine Entwicklung, die die Leistungsfähigkeit unseres Haushalts übersteigt. Hier gilt es dauerhaft, geeignete Maßnahmen zu ergreifen.

Es wäre ein Leichtes, unsere finanzielle Situation auf Corona zu schieben, wie dies in anderen Bereichen der Politik passiert. Aber dies würde der Situation nicht gerecht werden.

Warum haben wir eine schwierige Haushaltslage?

Da sind an aller erster Stelle die kommunalen Ausgaben im Erziehungsbereich zu nennen. Seit Jahren steigt der Personalbedarf in diesem Bereich, ebenso sind weitere bauliche Maßnahmen in Planung, um hier den Anforderungen gerecht zu werden.

Bis 2025 gibt es einen Rechtsanspruch für Ganztagesbetreuung in den Grundschulen. Diese Aufgabe zu erfüllen, benötigt weiteren personellen Aufwand und zusätzliche Raumressourcen. Der Erziehungsbereich ist eine Aufgabe, die aus familienpolitischen Gründen bei den Freien Bürgern höchste Priorität genießt. Die Unterstützung von Bund und Land ist da, reicht aber bei Weitem nicht zur Finanzierung. So ist es bei vielen Aufgaben, die der Gesetzgeber auf die Kommunen verlagert, ohne für eine entsprechende Finanzausstattung zu sorgen. Während das Geld des Landes für Prestigeobjekte ausgegeben wird, fehlt es der kommunalen Ebene für die Erfüllung ihrer Aufgaben.

Die Personalausstattung der Stadtverwaltung ist regelmäßig Thema der Haushaltsberatungen. Dies umso mehr, da durch die Ausgliederung der Stadtwerke die Organisationsstruktur komplett geändert wurde. Wir hatten uns erhofft, dass das bereits im letzten Jahr beauftragte Organisationsgutachten vorliegt und uns eine Aussage bringt, inwieweit die Personalausstattung der Verwaltung angemessen ist. Wir erwarten uns hier baldige Ergebnisse.

Was gilt es zu tun?

Es ist ja keine neue Situation für unsere Stadt, dass das Geld knapp ist. Wir kämpfen seit Jahrzehnten darum, die kommunalen Aufgaben zu erfüllen. Die Konkurrenz der Kommunen untereinander um Bürger, um Gewerbesteuerzahler, um öffentliche Einrichtungen wie Schulen, um Mitarbeiter zur Erfüllung der kommunalen Aufgaben ist groß. Man hat als Kommunalpolitiker nicht den Eindruck, dass die strukturschwache Region Murgtal in der Unteren und Mittleren Behörde als solche erkannt wird und eine entsprechende Unterstützung erfährt, was das Beispiel der Verlagerung der HLA bezeugt.

Es ist weiterhin wichtige Aufgabe der Stadtverwaltung dafür zu sorgen, dass die großen Industriebetriebe ein geeignetes investorenfreundliches Umfeld vorfinden. Wenn wir auch auf Konzernentscheidungen, wie dies bei Baden-Board der Fall war, wenig Einfluss haben, müssen doch alle Schritte unternommen werden, dass die Maschinen wieder in Betrieb gehen und die verloren gegangen Arbeitsplätze zumindest zum Teil wieder ersetzt werden. Jeder Arbeitsplatz, jeder Gewerbebetrieb ist es wert, dass man um seinen Erhalt kämpft. Wirtschaftsförderung ist Zukunftssicherung.

Gleiches gilt für Investoren im Baubereich. Die Stadt Gernsbach hat in der nahen Vergangenheit bewiesen, dass sie in der Lage ist, große Räder zu drehen. Der Wörthgarten ist eindrucksvolles Beispiel dafür. Hier gab es bildlich gesprochen viele Steine, die aus dem Weg geräumt werden mussten. Viele wären nicht notwendig gewesen. Durch den immensen Aufwand sind kleinere Projekte zB. von privaten Bauwilligen in den Hintergrund getreten. Hier müssen wir zukünftig wieder einen besseren Service für unsere Bürger und Investoren bieten.

Durch die großen Baugebiete in Scheuern und im Wörthgarten rechnen wir mit einem Bevölkerungszuwachs, was uns wiederum im Finanzausgleich höhere Zuwendungen bringt und dafür sorgt, dass unsere Einrichtungen ausgelastet sind. Wir müssen weiterhin alle Möglichkeiten der Nachverdichtung nutzen.  Nachdem mit dem Baugebiet Eben II das letzte Baugebiet mit Einzelhausbebauung bereits komplett vergeben ist, sehen wir die Notwendigkeit aufgrund der riesigen Nachfrage, ein neues Baugebiet auf den Weg zu bringen. Das Baugebiet Hubengärten bietet bei großer Nachfrage eine gute Chance auf zügige Realisierung.

Problematisch sind Bauvorhaben im Hochwasserbereich (HQ100). Hier müssen Bauwillige das reduzierte Retentionsvolumen ausgleichen. Da dies auf der Fläche selten möglich ist, sollte die Stadt hier Maßnahmen anbieten, die die Hochwassersituationen an anderer Stelle verbessern und die durch die Bauwilligen mitfinanziert werden. Wir erwarten uns hier Vorschläge der Verwaltung.

Wir werden es mittelfristig nicht schaffen, unsere Infrastruktur auf den aktuellen energetischen Standard zu bringen. Daher macht es auch keinen Sinn, hier in eine umfassende Planung einzusteigen. Das Bauamt kennt die drängendsten Probleme.

Wir sind gezwungen, die umfassenden Sanierungen durch eine regelmäßige Instandhaltung, die eine bestimmungsgerechte Nutzung ermöglichen, in die Zukunft zu verschieben. Oft sind es Unterhaltungsmaßnahmen, die nicht durchgeführt wurden und dadurch den Unmut der Nutzenden hervorrufen. Instandhaltungen aufgrund hygienischer und sicherheitstechnischer Mängel sind zwingend zeitnah zu erledigen.

Wichtige Aufgabe der Verwaltung und des Bürgermeisters wird auch zukünftig die Förderung und Würdigung des Ehrenamtes sein. Was wäre eine Stadt ohne die Vereine, die im kulturellen, sportlichen oder sozialen Bereich tätig sind. Die Leistung des Ehrenamtes ist nicht hoch genug einzuschätzen. Keine Kommune wäre in der Lage dies durch eigene Kräfte zu leisten. Die finanziellen Auswirkungen wären nicht tragbar. Als Beispiel sei stellvertretend für alle anderen die Freiwillige Feuerwehr genannt, die in unzählbaren Stunden sich für Leib und Leben unserer Bürgerinnen und Bürger einsetzt.

Trotz schwieriger Haushaltssituation in der Vergangenheit ist es uns trotzdem auch bei sehr beschränkten finanziellen Möglichkeiten gelungen, unseren Bürgern eine ordentliche Infrastruktur zu erhalten. Aufgrund fehlender Finanzen wird dies in Zukunft noch schwieriger werden.

Zum Schluss darf ich mich im Namen der Freien Bürger beim Kämmerer Herrn Lang und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Aufstellung des Haushaltes bedanken.

Die Freien Bürger werden dem vorgelegten Haushaltsentwurf mit dem Wirtschaftsplan der Stadtwerke und des Eigenbetriebs Abwasserbeseitigung zustimmen.

Für die Fraktion der Freien Bürger                             Uwe Meyer